Die Anforderungen an Drucksensoren, die in pneumatischen oder hydraulischen Bremssystemen eingesetzt werden, sind hoch. Dass auch bei diesen erweiterten Anforderungen die Verwendung von Drucksensoren „aus dem Baukasten“ sinnvoll ist, zeigt dieser Artikel.
Der Technologieführer bei Schleppern - die AGCO GmbH mit ihrer Premiummarke Fendt - setzt auch in den Bremsanlagen seiner Großtraktoren Drucksensoren aus dem M01-Baukasten der Sensor-Technik Wiedemann GmbH (STW) ein. Welche Voraussetzungen müssen Drucksensoren in Bremssystemen erfüllen und welche Vorteile ergeben sich aus der Verwendungen eines modular aufgebauten Drucksensoren-Programmes?
Warum Druckmessung in Bremsanlagen?
Komplexe Bremssysteme lassen sich nicht nur im PKW-Bereich, sondern auch in Nutzfahrzeugen, mobilen Arbeitsmaschinen und stationären Anlagen zur Personenbeförderung finden. Auch Fahrgeschäfte der Freizeitindustrie sind auf sicheres und exakt dosierbares Bremsen angewiesen. Bei pneumatisch betätigten Bremsen wird der Druck im Vorratsbehälter gemessen. Aber auch die aktuellen Bremsdrücke in den einzelnen Kreisen müssen erfasst werden, um die bewegten Massen feinfühlig und gleichmäßig zu verzögern. Durch die Druckmessung werden zusätzliche Komfort- und Sicherheitsfunktionen wie Antiblockiersysteme, Anfahrhilfe, Schlupfregelung, Handbremsassistent, Notbremssysteme, Spursysteme u.v.m. ermöglicht. Je genauer der Druck gemessen werden kann, umso energieeffizienter erfolgt die Druckerzeugung, umso komfortabler kann gebremst werden und umso genauer sind Aussagen über den technischen Zustand der Bremse möglich.
In einem einzigen Bremssystem befinden sich daher bis zu sechs Drucksensoren mit unterschiedlichen Druckbereichen, Druckanschlüssen, Ausgangssignalen und -steckern. Ausfälle der Druckmessung führen zu unterschiedlichsten Konsequenzen: Vom Aufleuchten einer Warnlampe über erhöhten Energiebedarf der Druckerzeugung oder Deaktivierung einzelner Komfortfunktionen - bis hin zur Festsetzung des Fahrzeuges oder der Anlage.
Die technischen Anforderungen
Besonders in Bremssystemen ist ein Verlust der Genauigkeit, ein Funktionsausfall der Druckmessung oder sogar ein Bruch eines Drucksensors nicht akzeptabel. Aufgrund des Einsatzgebietes bestehen aus Sicht der funktionalen Sicherheit hohe Anforderungen. Dazu gehört auch die ausgeprägte Fähigkeit der Selbstdiagnose, die im sogenannten „Diagnostic Coverage“ ausgedrückt wird: Welcher Anteil an möglichen Fehlern wird vom Sensor selber erkannt und führt damit nicht zu fehlerhaften Messwerten? Der im Fendt-Schlepper verwendete M01-Sensor erreicht unter den dort herrschenden Voraussetzungen den bemerkenswerten Wert von mehr als 70 % und eine mittlere Zeit bis zum gefahrbringenden Ausfall (MTTFd) von mehr als 250 Jahren. Es gilt: Lieber gar keinen Messwert als einen falschen Messwert anzeigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Drucksensoren an den Druckleitungen des Bremssystems montiert und dadurch oft dauerhaften Verschmutzungen, Salzwasser, großen Temperaturschwankungen und starken Vibrationen direkt ausgesetzt sind. Die Drucksensoren müssen gegen alle Arten von Umwelteinflüssen äußerst robust sein. Gleichzeitig muss die Messung des Druckes mit einer Genauigkeit von +/-1 % oder besser erfolgen. Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit - auch unter extremen Bedingungen - sind unverzichtbar und kennzeichnen sowohl die Komponente Drucksensor wie auch das Gesamtprodukt: den Schlepper.
Werden die Anforderungen erfüllt?
Der Aufwand, einen Sensor gemäß dieser harten Anforderungen zu qualifizieren, ist nicht unerheblich. Um die geforderte mechanische Robustheit zu belegen wurden die Transmitter unter anderem einem besonders harten Vibrationstest unterzogen. Die Normen ISO 16750-3 und DIN EN 60068-2-80 schreiben einen Test über die Gesamtdauer von 282 Stunden vor: Vibrationen mit 18-facher Erdbeschleunigung, in allen drei Achsen, bei gleichzeitig 70 Temperaturzyklen zwischen -40°C und +125°C - was während und nach diesem harten Test funktioniert, darf als „äußerst robust“ bezeichnet werden. Alleine der hohe Aufwand für diesen Test macht es notwendig, die Ergebnisse auf möglichst viele Komponenten übertragbar zu machen. Ebenfalls qualifiziert werden müssen EMV/ESD-Eigenschaften: Tests nach 2009/64/EG, DIN EN 55025, ISO 7637, ISO 16750-2, ISO 10 605 und UN/ECE R.10 sind Standard, aufwändig und damit langwierig.
Unerwünschte Variantenvielfalt entsteht
Aufgrund der Verwendung in verschiedenen Schlepper-Modellen - mit pneumatischen wie auch hydraulischen Bremssystemen - sind unterschiedliche Druckbereiche, Druckanschlüsse, Ausgangsstecker und -signale notwendig. Änderungen an der Konfiguration sind aufwändig und schaffen weitere Varianten. Aus Weiterentwicklungen wie z.B. „brake by wire“ kann der Bedarf des Umstiegs von einem analogen Ausgangssignal auf einen digitalen CAN-Bus Ausgang entstehen. Auch der Einsatz in weiteren sicherheitskritischen Anwendungen, wie beispielsweise in den Lasthebevorrichtungen der Nutzfahrzeuge, würde weiteren Entwicklungs- und Zertifizierungsaufwand der Komponenten erfordern. Trotz der enormen Auswahl auf dem Markt sind Sensoren, die alle genannten Kriterien erfüllen, nicht sofort zu finden.
Der Vorteil eines modularen Baukastensystems
Die Ursachen und der Preis für die resultierende Variantenvielfalt sind also bekannt: Jede Variante muss gesucht, ausgewählt, verhandelt, beschafft, gelagert und dokumentiert werden. Hohe Entwicklungs- und Qualifizierungskosten, aufwändigere Logistik, sowohl in der Fertigung, als auch bei der Ersatzteileversorgung entstehen. Kunde wie auch Lieferant haben ein nachvollziehbares Interesse, die Variantenvielalt einzudämmen. Wenn die Vorteile von Gleichteilen, z.B. aus zwingenden technischen Gründen, nicht nutzbar sind, dann ist die Verwendung eines modularen Systems die nächste und beste Alternative. Um die oben beschriebenen Aufwände möglichst zu minimieren, war es wirtschaftlich und technisch unabdingbar, eine Baureihe von Drucksensoren zu verwenden, die alle Anforderungen erfüllt: Der M01 mit seinen Millionen möglicher Varianten bietet die geforderten Eigenschaften:
* Sicherheitsanforderung nach PL b (nach ISO 13849)
* Zuverlässigkeit bezüglich der Dichtheit durch geschweißte Edelstahl-Messzellen
* 14 Druckbereiche, zwischen 0,1 und 2000 bar, relativ und absoluter Bezug
* 20 Druckanschlüsse
* 9 Ausgangssignale, analog und digital
* 10 Anschluss-Stecker, aus Metall und Kunststoff
* wirtschaftliche Fertigung in einem ISO/TS16949 zertifiziertem Unternehmen in Deutschland durch modularen Aufbau
Durch die genaue Definition der Module des Baukastens kann bereits zu Beginn der Entwicklung des Endproduktes eine Sensorvariante ausgewählt werden, welche die hohen Anforderungen nachweislich erfüllen wird.
Fazit
Die Verwendung modular aufgebauter Sensorik bietet auch oder gerade bei sicherheitsrelevanten Anwendungen erhebliche Vorteile. Aufgrund harter technischer und wirtschaftlicher Fakten hat die AGCO Fendt GmbH bewusst auf das M01-Baukastensystem der STW GmbH zurückgegriffen. Selbstverständlich lässt sich das, was für sicherheitsrelevante Systeme wie Bremsanlagen gilt, auch auf andere anspruchsvolle Anwendungen übertragen.