Der im letzten Jahr vorgestellte Traktor 1000 Vario der Fa. Fendt besticht nicht nur durch seine Größe und die damit verbundene Leistungsfähigkeit. Auch bei der Energieverteilung im Fahrzeug wurden neue Ideen zusammen mit der Fa. STW (Sensor-Technik Wiedemann) umgesetzt. Die beiden Einheiten der Zentralelektrik sorgen für intelligentes Energiemanagement, was sich in unkomplizierter Handhabung von Fahrzeugvarianten, vereinfachter Verkabelung, komfortabler Diagnose und reduziertem Wartungsaufwand niederschlägt.
Bereits 2003 wurde die erste Zentralelektrik von Fendt und STW zusammen entwickelt und in Serie gebracht. Seitdem sind die Anforderungen an diese auch Power Boards genannten Systeme weiter gestiegen. Während es bei den Vorgängermodellen allein um das Schalten großer Ströme ging, wird heute zunehmend Intelligenz in den Zentralelektriken gefordert. Dabei kann es sich um einen CAN-Anschluss handeln, über den das Schalten durchgeführt wird und ein Rücklesen des Schalterzustands möglich ist. Aber auch Rechen- und Speicherkapazität innerhalb der Zentralelektrik gewinnen zunehmend an Bedeutung, damit zusätzlich die Funktionen einer dezentralen Steuerung vorgenommen werden können. Dies hängt auch mit der wachsenden Komplexität der über die Zentralelektrik versorgten Einheiten zusammen. Waren zunächst nur einfache Verbraucher wie Fahrlicht oder Arbeitsscheinwerfer an das Power Board angeschlossen, werden heute auch mehrstufige Gebläse oder regulierbare Scheibenheizungen versorgt. Dies führt zu der Forderung, neben digitalen oder analogen Verbrauchern auch intelligentere Subsysteme über Sensor-Aktor-Busse anschließen zu können. Mit der stetig wachsenden Anzahl an Verbrauchern steigt somit auch die Summe der Ströme, die eine Zentralelektrik bewerkstelligen muss. Für Dr. Michael P. Schmitt, Geschäftsführer bei STW, ist die zunehmende Intelligenz eine logische Folge des allgemeinen Trends bei mobilen Arbeitsmaschinen: „Die voranschreitende Automatisierung verlangt nach dezentralen Lösungen. Daher entwickeln sich die Power Boards von einfachen Sicherungs- und Schaltkästen zu intelligenten Geräten für die Steuerung und Überwachung der Verteilung und Schaltung der elektrischen Energie im Fahrzeug.“
So bestand die Aufgabenstellung für das neue Power Board des Fendt 1000 Vario darin, die gesamte Elektrik im Traktor zu versorgen, abzusichern und anzusteuern. Dabei sollte es für die Aufteilung der Stromkreise sorgen und alle nötigen Stecksockel für Relais und Sicherungen beinhalten. Für den Vario 1000 wurde aufgrund der beiden Faktoren Intelligenz und Anzahl der E/As nach dem Prinzip „teile und herrsche“ verfahren. Anstatt auf eine einzelne Zentralelektrik zu setzen, wurde ein zweigeteilter Ansatz gewählt. Während sich eine Einheit vorranging um die Kommunikation mit der Hauptsteuerung und die Übernahme programmierbarer Schaltvorgänge kümmert, ist die zweite Einheit in erster Linie für das Absichern und Schalten der Ströme verantwortlich. Wichtiges Argument für die Trennung war auch eine einfachere Verkabelung. Mit dem Design musste natürlich auf die Zugänglichkeit der Anschlüsse, die ergonomischen Notwendigkeiten und die räumlichen Vorgaben Rücksicht genommen werden. Der Bauraum war wie in den meisten Fällen eingeschränkt.
Hinsichtlich der intelligenten Einheit, intern „ZE“ genannt (s. Bild 1), gab es klare Vorstellungen von Fendt. Herz des Boards sollte ein LPC1778 von NXP sein, ein ARM® Cortex™-M3 Prozessor mit 512 kByte Flash, 96 kByte SRAM und 4032 Byte EEPROM Speicher. Einer seiner beiden CAN-Kanäle, der über jeweils einen CAN-Transceiver nach außen geführt wird, ist an den zentralen Steuer-Bus des Vario 1000 angeschlossen und kann mit bis zu 250 kbit/s kommunizieren. Der zweite CAN-Bus ist als Reserve vorgesehen. Drei der fünf seriellen UART Schnittstellen werden über entsprechende Transceiver für den Anschluss an LIN (Local Interconnect Network), einen Ein-Draht-Feldbus für Sensoren und Aktoren, genutzt. Über den LIN-Bus können unterschiedliche Verbraucher wie z.B. die Wischer der Front- und Seitenscheiben eingestellt oder konfiguriert werden. Außerdem bietet der Prozessor 165 beliebig nutzbare E/A Pins, womit der Zuordnung auch ausreichend Freiraum gegeben werden konnte. Da auf dieser Platine das Schalten großer Ströme auch aus EMV-Gründen vermieden werden sollte, werden Ausgangspins genutzt, um entsprechende Relais auf der zweiten Einheit anzusteuern. Die Kommandos für das Schalten erhält die „ZE“ entweder über den zentralen Steuer-Bus oder in einigen Fällen auch direkt über einen Eingang, an den ein Schalter angeschlossen ist. Ein großer Vorteil der Einheit liegt auch in ihrer Diagnosefähigkeit. Sie erlaubt das Rücklesen des Zustands wichtiger Verbraucher. Zu ihnen gehören u.a. Fahr- und Positionslichter oder Blinker. Ohne ihre einwandfreie Funktion ist ein Betrieb im Straßenverkehr nicht erlaubt. Durch die Diagnosefähigkeit und die Kommunikation über den CAN-Bus kann ein Fehler direkt im Cockpit angezeigt werden. STW war neben dem Design verantwortlich für die Implementierung der Testsoftware und eines Flashloaders. Die Applikationssoftware wurde schließlich von Fendt geschrieben. Diese beinhaltet auch die Möglichkeit je nach Fahrzeugvariante verschiedene Konfigurationen zu hinterlegen.
Auf dem Relaisbord (daher die interne Bezeichnung „RB“, s. Bild 2) geht es nur um die Strom- und Leistungsverteilung über Sicherungen. Dabei sind generell drei Möglichkeiten vorgesehen. Der einfachste Stromverlauf, bei dem das „RB“ nur als Sicherungskasten wirkt, geht über den Stecker auf das Bord, durch die Sicherung und wieder über den Stecker hin zum Verbraucher. Bei dieser Anschlussart werden meist einfache Sensoren versorgt. Bei der zweiten Version erfolgt die Stromversorgung vom „Powerbolzen“, einer M8 Schraube, die direkt mit dem Pluspol der Batterie verbunden ist. Von hier läuft der Strom über ein Relais, das über einen Ausgang der „ZE“ geschaltet wird. Ist das Relais auf „Ein“, geht es wieder weiter über eine Sicherung, einen Stecker und zum Verbraucher. Typisch werden hier Heizungen oder Arbeitslampen angeschlossen. Die Verteilung der Ströme vom „Powerbolzen“ zu den Steckern auf der Platine war eine der großen Anforderungen beim Layout. Im Extremfall kann zur gleichen Zeit auf der Platine ein Gesamtstrom von über 250 A fließen. In einer weiteren Version für die Strom- und Leistungsverteilung, die als Reserve vorgesehen ist, wird die Schaltung des Relais nicht von der „ZE“, sondern von einer externen Quelle vorgenommen. Damit können beliebige Spannungs- / Stromkombinationen realisiert werden. Insgesamt sind auf dem „RB“ über 100 Sicherungs- und 26 Relaissockel realisiert worden. Die eingesetzten Sicherungen und Relais sind typische Produkte aus dem KFZ-Bereich. Die automotive-tauglichen Stecker bieten Platz für über 40 Eingänge und 125 Ausgänge.
Aufgrund der langen Einsatzzeiten der Traktoren und der Umweltbedingungen, denen sie ausgesetzt sind, wurde spezielles Augenmerk auf die Qualität der Produkte gelegt. Dafür wurde bereits in der Entwicklungsphase auf bewährte Konzepte zurückgegriffen, die sich dann in den Umweltqualifikationen bestätigen konnten. Hinzu kommt eine 100% Prüfung der Zentralelektriken in der hauseigenen Produktion bei STW. Für die „ZE“ und „RB“ wurden eigene Prüfadapter entwickelt. Diese kommen während des Produktionstests und des Burn-In im Klimaschrank zum Einsatz. Über die ebenfalls im Haus entwickelte Prüfsoftware werden alle Ein- und Ausgänge sowohl bei -40°C als auch bei +85°C angesprochen und sämtliche Funktionen auf den Boards getestet.
Bei Fendt angekommen, werden die beiden Einheiten oberhalb eines Hinterrades des Vario 1000 auf einer Montageplatte unter einer Abdeckung angebracht. Obwohl dies ein relativ trockener Platz ist, sind die Boards mit Polyurethangießharz vergossen, um sie gegen Feuchtigkeit zu schützen. Die Stecker und Sicherungen sind hier leicht zugänglich, was vorteilhaft beim Anbringen des Kabelbaumes ist. Um ein einfaches Wechseln der Relais zu ermöglichen, musste der ursprünglich geplante Abstand zwischen den Relais noch auf „Daumengröße“ angepasst werden. Da es sich um eine Niedrig-Spannungsversorgung handelt (es gibt nur 12V oder 8,5V Anschlüsse), fallen beide Einheiten unter die Schutzklasse III für elektrische Geräte. Sie sind so angeschlossen, dass auch bei Berührung von leitenden Komponenten keine Gefahr für den Menschen besteht. Damit ist nun auch die Wartungsfreundlichkeit gewährleistet.
Für Dr. Schmitt ist das Potenzial der Zentralelektriken oder Power Boards und damit der intelligenten Energieverteilung aber noch lange nicht ausgeschöpft. Eine Möglichkeit besteht in zukünftigen Erweiterungen mit Telematikfunktionen, womit ein direkter Fernwartungszugang geschaffen werden kann. Auch die Frage, ob hier zukünftig kundenspezifische Versionen oder Standardprodukte den Markt dominieren, ist noch offen. „Wir sehen hier mehrere Ansätze. Diese reichen von wirklichen Standardprodukten über Varianten mit einer kundenspezifischen Anzahl von E/As in Kombination mit standardisierten Steuerungsmodulen bis hin zu komplett kundenspezifischen Entwicklungen. Im letzten Fall spezifizieren und entwickeln wir zusammen mit dem Kunden die Zentralelektrik mit intelligenten Modulen zur Steuerung und vermehrt zur Vernetzung als eine gemeinsame Baugruppe.“ Hier können schließlich auch zusätzliche Funktionen mit Komponenten wie Motorbrücken oder Schrittmotortreibern realisiert werden. Wie viel Intelligenz schließlich genutzt wird, ist über das Gesamtkonzept des Fahrzeugs festzulegen – und gerade darin steckt das Knowhow eines Fahrzeugherstellers wie Fendt.